Do Khyi Maxes Blog

Unser Ziel. Verstehen und Erhalt einer Hunderasse. Der Umgang mit einem Hund tut dem Menschen gut. Wenn der Hund gesund sein kann und einen passenden Halter findet

Dienstag, 9. November 2010

Quo Vadis Rassehund

Mittwoch, den 3.11.2010 in der RTL Sendung Stern TV bei Günter Jauch wurde das Thema Rassehund behandelt. Nein, es ging beim Thema nicht um Hundehändler wie man das aus dem Titelinhalt hätte vermuten können...
Der Titel:  "Reine Rasse und doch verkrüppelt - Das miese Geschäft mit kranken Tieren" war für die Rassehundezuchtwelt in einigen Vorankündigungen aus "Hunde-Fach-Foren" wohl erst einmal irreführend.

Stern TV hat gezielt erneut die Rassehundezucht, deren Praktiken und im Endergebnis das Thema "Qualzucht" bei Rassehunden aufgegriffen. Zum Interview geladen eine davon betroffene Hundehalterin, ein betroffener Rassezüchter welcher den "Toller" betreut und der derzeitige 1. Vorsitzende des VDH.
Vorab wurden Hunderassen gezeigt, deren Zucht heute bereits nachgewiesen als eine Qualzucht definiert werden kann. Es wurde in der Sendung deutlich darauf hingewiesen, dass wesentlich mehr Hunderassen als betroffen bezeichnet werden müssen. Auch die Erkrankung Epilepsie wurde im Filmbeitrag erwähnt.
Speziell auch die extreme Verwandtschaftszucht bei Rassehunden, die Inzucht welche auf Inzestzucht aufbaut wurde an einem Schaubeispielbild, welches mehr als einmal gezeigt wurde, allgemeinverständlich dargestellt und als Qualzucht  (!) definiert!
Es ist damit die Rassehundezucht, organisiert unter der Federführung auch des VDH und FCI in den Blickpunkt gerückt. Einleitend wurden ein paar wenige Filmaufzeichnungen aus "Pedigree dogs exposed" gezeigt um dann auf eindeutig in Deutschland - im VDH - Verband gezüchtete Hunde - zu verweisen.

Für die Öffentlichkeit erschreckende Bilder!
Während in Großbritannien beim Kennel Club inzwischen verstärkt Maßnahmen und auch direkt Änderungen von Rassestandards vorgenommen wurden und werden, wartet die Rassehund - Liebhaberwelt in Deutschland und auf dem Kontinent bei einigen Rassen (leider viele) immer noch vergebens.

Vertrauen in den Rassehund, erworben in den frühen 1950er bis Beginn der 1970er Jahre - des vergangenen Jahrhunderts (!) - scheint verloren. Was aber schadet den Rassehunden eigentlich im Wettbewerb um den Handel mit Hundewelpen?
Sind es Veröffentlichungen wie diese?

Aufschreckend für den Zuschauer, in diesem Interview mit Herrn Jauch, sind die Stellungnahmen zur Verantwortung aus der Rassehundezuchtwelt:
Deutlich wurde auf das Verbot der Zucht solcher Nachkommen durch das Tierschutzgesetz §11 durch den Moderator hingewiesen. Dieses nochmals - nach der Frage "weshalb der VDH das seinen Züchtern nicht einfach verbietet" und dem Übergehen einer klaren Antwort von dieser Seite welche Verantwortung übernehmen könnte - noch einmal betont:
Das Verbot Nachkommen zu züchten bei welchen Leiden, Schäden und Verhaltensausfälle erwartet werden können...

Der Zuschauer der Sendung erhält durch solche Vorgänge den Eindruck, dass sich die Rassehundezucht an das Gesetz, hier das Tierschutzgesetz, nicht unbedingt gebunden fühlt. Es wäre ja sonst keine derartige Sendung mit diesem aktuellen Thema notwendig.

Jedermann, welcher Hunde kennt - und das sind in unserer Gesellschaft alle Menschen - ist über einen Fitnesstest für die Hunderasse Mops, bei welcher ein Hund über eine  (in der Länge im Interview nicht definierte) Strecke laufen muss ohne Schweratmung zu zeigen, zum Erhalten einer Zuchtzulassung sicher nicht belustigt.
Sollte das alles sein was die Rassehundezucht bereit ist zu unternehmen? Was ist mit jenen welche diesen Test mangels einer Hundeschnauze (!) nicht mehr bestehen, leiden diese Hunde nicht?
Was ist mit dem Tierschutzgesetz in der Rassehundezucht?
Diese Frage stellen sich nach dieser Fernsehsendung sicher noch wesentlich mehr Menschen. Die Übertragung wird nicht nur bei den Hundehaltern diskutiert!

Es erübrigt sich fast auf den Vermerk zu dem betroffenen und operierten, im Übertragungsstudio anwesenden Cavalier King Charles Spaniel hinzuweisen. Laut der Bemerkung durch den Rassezuchtverbandvorsitzenden ist die Zucht mit speziell "diesem" Hund dann zur Sicherheit verboten...
Ja was denn nun - mag sich der Zuschauer fragen: Was aber ist mit dessen Eltern und Geschwistern?

Es gibt in unserer Menschengesellschaft noch ein gesundes Bewusstsein für das Vermeiden und Entstehen von angeborenen Erkrankungen. Die Rassehundezuchtwelt hat das womöglich - bei allem "Rassedenken" - inzwischen vergessen!
Wer also schadet dem Ruf des Rassehundes?

Es hat bereits in der Vergangenheit aus der Rassehundezucht selbst nicht an öffentlichen Mahnungen - um absehbaren Schaden vom Rassehund abzuwenden - gemangelt. Um so mehr erstaunt den Zuschauer, dass nun derzeit 2010 innerhalb derselben mit Erhebungen "begonnen" wird, welche so wörtlich:  "Schleppend und lückenhaft" laufen...

Bereits im Jahr 1978 (!) nach einer Serie in der Zeitschrift Stern ist im Stern Verlag das Buch des Autoren Heiko Gebhardt "Du armer Hund" erschienen. Eine Neuauflage desselben wäre auch heute noch - auch im Hinblick auf die Schönheits - CACIB - Ausstellungen - aber nicht nur, erschreckend aktuell!

Der erste deutliche Hinweis und Aufklärung auf den großen Irrtum in der Rassezucht, durch das Festlegen auf Inzucht und Championatszucht wurde bereits im Jahr 1986 (!) öffentlich für Jedermann durch die Autoren Walter Schleger und Irene Stur in deren Buch "Hundezucht in Theorie und Praxis" gegeben.
Leider haben wir gerade in dieser Zeit mit Dr. Hans Räber einen der letzten Kynologen verloren. Dieser hat im Jahr 1999 (Ersterscheinung), womöglich ernüchtert das Buch "Vom Wolf zum Rassehund" geschrieben. Er war immer ein Befürworter und Mentor der Rassehundezucht. Dieses, sein letztes Werk war für die Rassehundezucht eine deutliche Mahnung, welche an Aktualität bis heute die Versäumnisse, nicht nur der vergangenen 11 Jahre widerspiegelt!

..." Die Folge dieser falsch gesetzten Zuchtziele sind Formen, die dem Hund ein artgerechtes Leben weitgehend unmöglich machen und dazu führen, dass in den Medien von "Qualzuchten" die Rede ist, so dass der Rassehund pauschal in Misskredit gebracht wird. Aufzuzeigen, wo diese Grenzen gesetzt werden müssen, wenn der Rassehund noch eine Zukunft haben soll, ist ein wichtiges Anliegen dieses Buches..."

..."Dringend notwendig ist die Säuberung der Standards von sinnlosen und unbiologischen Forderungen, die im Extremfall zu schwerwiegenden Defekten führen müssen..."
Zitat: Dr. h. c. Hans Räber

Als Mitglied der FCI Kommission hat er sich leider nicht mehr deutlich genug gegen den Einsatz der Inzucht in der Rassehundezucht abschließend ausgesprochen. In seinem, in der ersten Auflage 1969 (!) geschriebenes Buch "Brevier neuzeitlicher Hundezucht" befürwortet er Verwandtschaftszucht und Engzuchtmethoden. Bis heute ist diese Darstellung, ohne "Neuauflage" heutigen Wissens in den Köpfen und Meinungen von Rassezüchtern zu finden! Sein Appell an die Zucht: Deutlich erkenntliche Qualzucht - Übertreibungen bei Rassehunden aus der Zucht heraus dringend abzustellen, um zu vermeiden, "dass der Rassehund in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht wird" und Medien, sowie Gesetzgeber die Zukunft des Rassehundes bestimmen!

In der Erstauflage im Jahr 2000, erschien vor 10 Jahren das Buch "Quo Vadis Canis" von Dr. Dieter Fleig, welches sich unter anderem speziell diesem Thema der "Qualzucht" und den Fehlentwicklungen der Hundezucht widmet. Ja es versucht sogar dem Rassehund und Hund in der Gesellschaft eine Neudefinierung des Daseinszweckes und die Notwendigkeit der Hundehaltung für unsere Gesellschaft zu beschreiben!
Es war schon vor 30 Jahren schwierig offiziell Änderungen, Besinnung anzumahnen. An solchen Nebenschauplätzen für die Hundezüchterwelt, dem Schaffen eines Bildes, hat sich bis heute nichts geändert!

Vor dem Hintergrund dieses Wissens und solcher öffentlichen Ermahnungen seit über 30 (!) Jahren an die Verantwortlichen - dringend eine Erneuerung aus der Rassehundezucht heraus vorzunehmen, anzudenken und umzusetzen - ist bis zur Übertragung beim RTL, Stern TV  "Reine Rasse und doch verkrüppelt - Das miese Geschäft mit kranken Tieren" - bisher "nur" der Beginn von Erhebungen bei Tierärzten und Rassezuchtvereinen als Maßnahme genannt geworden, welche zudem nach Aussage im Interview "schleppend und lückenhaft" laufen.

In der Zwischenzeit diskutieren Hundeliebhaber den Rassehund eher als ein Risiko in der Anschaffung und die "Hundezüchterwelt" widmet sich auffallend der Produktion von "Mischlingshund - Neukreationen"
Nur: Gesünder sind solche nicht unbedingt, sei einmal von exzessiven Qualzuchtmerkmalen abgesehen. Die "Zuchtmethoden" welche zum Niedergang der Rassehunde führen sind bei "züchterischen Neukreationen" wohl eher dieselben und zudem - ohne jede Kontrolle!

Als ein letzter Kynologe und Mahner der nicht müde wird "für den Erhalt des Hundes" zu  plädieren - für ein Umdenken in der Rassehundezucht - ist derzeit Dr. Hellmuth Wachtel eindringlich aktiv.
Sein erstes Buch, das erste Buch zur Populationsgenetik  "Hundezucht 2000" welches deutlich und eindringlich, allgemeinverständlich die Irrtümer in der Rassehundezucht aufzeigt, welche zum Niedergang nicht nur der Rassehunde, sondern des Hundes in Gesundheit und Wesenseigenschaften führen können, ist seit dem Jahr 1997 (!) öffentlich jedermann nicht nur in der Hundezüchterwelt zugänglich!
In seinem Buch "Das Buch vom Hund" aus dem Jahr 2002 (!) hat er diese Mahnungen unter anderem nochmals nachgewiesen und erneuert. Dieses Buch betont mit einem Ausflug in die Kynologie die Symbiose zwischen Mensch und Hund - Weshalb es eine Notwendigkeit ist den Hund in unserer Gesellschaft zu erhalten! Der Autor wird bis heute nicht müde, auch bei Rassezuchtvereinen und in Fachzeitschriften in Vorträgen und Schulungen, die Problematik welche in den Köpfen der züchtenden Menschen verankert scheint, zu erklären und nachzuweisen!


Ein Umdenken, eine Erneuerung aus der Rassehundezuchtwelt heraus - erscheint für den Betrachter nicht mehr möglich zu sein. Es scheint nichts "angekommen" zu sein.
Zu lange schon wartet man auf eine grundlegende Neudefinition des Rassehundes welcher sich nicht einzig und allein aus Schönheits - Championaten und Standardzielen definiert und definieren kann!

Statt dessen werden heute, im Jahr 2010 (!) aktuell in der Sendung Stern TV Bilder von Shar Pei (dem chinesischen Faltenhund) gezeigt welche diejenigen in den Büchern von Dr. Hans Räber und Dr. Dieter Fleig  - in der Exzessivität der Faltenbildung und in der Nutzung  eines Farbverdünnungsfaktors (Dilution), welcher  zusätzliche Hauterkrankungen mit sich bringen kann - noch zu übertreffen scheinen!
Hat die Rassehundezucht in Händen der verantwortlichen Hundezüchter bis heute nichts dazu gelernt?
Es muss uns dann nicht mehr wundern wenn ein hochrangiges Mitglied der FCI - Kommision aus dem deutschen Verband in einer Stellungnahme kürzlich, ..." Die Zukunft des Rassehundes dann eher in Asien, denn in Europa oder Amerika sieht..." Geht es in der Rassehundezucht einzig um Marktinteressen ohne definierten Tierschutzgedanken und Tierschutzgesetze?

Es wird für den Rassehund dringend - die Daseinsberechtigung, den Sinn des Rassehundes - welchen es tatsächlich gibt, endlich neu zu definieren. Das kann mit Schönheits - Championaten, nach welchen der Mensch - völlig menschlich im "Erfolgsstreben" immer züchten wird - nicht gelingen. Es ist überfällig die "Standardisierungen" von Rassehunden welche nur durch Engzuchtpraktiken erreicht werden können - die inzwischen als "Qualzucht" für jeden Rassehund definiert werden - mittels einem "Standard" abzuschaffen und den Sinn des Rassehundes neu - nein erneut (!) zu definieren!

Es gibt andere Methoden - seit Menschengedenken wohl bekannte - Hunderassen gesund zu erhalten, zu züchten und als "Rassetyp" zu erhalten!
Rassehunde, Rassehundtypen, ja sogar deren Körperbau und Aussehen sind einzig durch Verhaltensanforderungen, Verhaltens- und Einsatzmerkmale bei uns Menschen entstanden. Es sieht tatsächlich so aus, als hätte der Mensch die Fähigkeit Haustiere nach seinen Bedürfnissen zu züchten verloren!


@ Tibimaxe.de

Legende:
Antiquariat, Hundezüchtung in Theorie und Praxis, Walter Schleger, Irene Stur
Kynos Verlag, Vom Wolf zum Rassehund, Dr. Hans Räber
Kynos Verlag, Quo Vadis Canis, Dr. Dieter Fleig
Stern Verlag, Du armer Hund, Heiko Gebhardt
Gollwitzer Verlag, Hundezucht 2000, Dr. Hellmuth Wachtel
Cadmos Verlag, Das Buch vom Hund, Dr. Hellmuth Wachtel


Nachtrag 09.11.2010:
Zu diesem Beitrag habe ich interessante Zuschriften erhalten. Einen Irrtum habe ich im Text korrigiert. Es ist diesem Blog ein dringendes Anliegen korrekte Informationen weiter zu geben. Für die Hinweise zu dem Thema möchte ich mich bedanken. Alle angeführten Bücher sind auch heute noch für Jedermann öffentlich erhältlich!